Kleine Faustregel zum Umgang mit Tatverantwortlichen

Wenn Du möchtest, dass Deine Forderung erfüllt wird, prüfe, ob sie erfüllbar ist.

Das hört sich vielleicht banal an, ist es aber nicht. Unter den Forderungen, die an Tatverantwortliche gestellt werden, sind immer wieder Dinge, die im Alltag schlicht unmöglich umzusetzen sind, die die Persönlichkeitsrechte der Person tief verletzen (Ja, auch ein*e Beschuldigter hat Rechte, zumindest im der Strafjustiz und wir wollen ja nun nicht dahinter zurückfallen, oder) oder sie sind so unkonkret formuliert, dass man nicht weiß, was damit gemeint ist. Es nutzt gar nichts, Dinge zu verlangen, die eine Person einfach nicht umsetzen kann (z.B. in eine Tätergruppe gehen, wenn es eine solche nirgends gibt), und das Nicht-Umsetzen dann mit Sanktionen zu bewähren oder als Zeichen der Nicht-kooperation auszulegen.1

Dazu gehört, nicht nur eine therapeutische Auseinandersetzung mit dem eigenen Verhalten zu fordern (völlig ok), sondern eine bestimmte Therapieform vorzuschreiben (übergriffig: ob jemand z.B. eine Psychoanalyse machen will oder kann, muss die Person selber entscheiden, da die Therapieform auch immer zu der Person und ihrem derzeitigen Zustand passen muss); Verbote auszusprechen, die weltweit gelten sollen (ich darf nicht nur in einer Stadt oder einem Bundesland nicht mehr auf eine Veranstaltung, sondern auch nicht auf einem anderen Kontinent) oder zu verlangen, Menschen sollten quasi ab dem ersten Moment eines neuen Kontakts über ihre Gewalt erzählen (das ist einfach im Alltag total weird. Es interessiert mich doch in der Warteschlange vor dem Arbeitsamt überhaupt nicht, was jemand gemacht hat, und ich fände es übergriffig, wenn mir das jemand direkt nach dem Hallo erzählt). Von der merkwürdigen Praxis, Leuten nicht zu sagen, was ihnen vorgeworfen wird, ja noch nicht einmal den Kontext oder Zeitpunkt, mal ganz zu schweigen. (Ich weise das kategorisch zurück.)

Im Prinzip ist es sinnvoll, sich an die SMART-Regeln aus der Konflikt- und Verhandlungsforschung zu halten. Diese besagen: Vereinbarungen sollten

Spezifisch (konkret)

Messbar

Attraktiv“/positiv formuliert (was jemand tun soll anstatt was jemand nicht tun soll, da dies nicht klärt, was getan werden soll)

Realistisch (umsetzbar)

Terminiert (zeitlich definiert)

sein. Das erhöht schlicht die Chance, dass der transformative Aufarbeitungsprozess gelingt, was ja im Interesse aller sein dürfte. Es geht nicht darum, der tatverantwortlichen Person den roten Teppich auszurollen, es ihr „leichter zu machen“ oder Hilfestellung zu leisten, sondern schlicht darum, diesem nicht im Weg zu stehen.

Zudem würde ich definieren, was das Ziel der Forderungen ist, und ob die geforderten Maßnahmen diesem Ziel dienen. Ziele sind häufig, dass Betroffene der Person nicht begegnen, dass die Person niemand weiteren schädigt und dass sie sich ändert. Dabei ist es wichtig, dass die Betroffenen für sich sprechen und keine (selbsternannten) Fürsprecher*innen ihnen vermeintliche Bedürfnisse und Forderungen überstülpen oder ihre eigene Agenda durchsetzen. Das gehört zur Wiedererlangung von Handlungs- und Definitionsmacht: Betroffene sprechen für sich selbst, sie können selbstverständlich vertreten werden, um sie zu unterstützen, aber die Entscheidungen liegen bei ihnen.

Ein weiterer Fallstrick sind Double Binds im Forderungskatalog oder beim Umgang mit diesem. Wenn ich fordere, dass die Person eine Gruppe für transformative Arbeit besucht oder gründet, aber gleichzeitig alle Menschen, die mit der Person Kontakt haben, anfeinde, stehe ich mir selber im Weg. Natürlich ist mir klar, dass es oft nicht ein und dieselbe Person oder Gruppe ist, die widersprüchliche und sich gegenseitig ausschließende Forderungen stellt. Hier müssen Leute sich gegenseitig korrigieren und gemeinsam Verantwortung übernehmen. Es ist die Aufgabe der Community, sich um die Transformation zu kümmern und diese zu unterstützen. Wir haben alle Mit-Verantwortung, und wir sind alle nicht frei von Täter*innenschaft. Wer lange genug nachdenkt, wird auch in der eigenen Geschichte fündig. Dafür lege ich meine Hand ins Feuer. Deswegen ist es scheinheilig, mit dem Finger auf die Tatverantwortlichen zu zeigen und sich nicht um deren Prozess zu scheren. Das widerspricht nicht der Priorität, Betroffene zu unterstützen, beides gehört zusammen.

Es wird Zeit, aus dem Skandalmodus auszusteigen und einen Umgang zu finden, der klar, konsequent, ehrlich und transformativ ist.

1: (Disclaimer: Es versteht sich von selbst, dass es völlig ok ist, zu fordern, was man für die eigene Sicherheit und Entschädigung braucht, und es ist auch keine Frage, dass manches für Tatverantwortliche unangenehm oder anstrengend ist und sein darf. Ich füge das hier hinzu weil die verallgemeinerte schlechte Diskurskultur in der Linken das notwendig macht, leider.)

Das linksradikale Versagen in der Pandemie

Ich halte folgenden Text für eine wichtige Diskussionsgrundlage. Einige werden ihn nicht mögen. Er ist unbequem und stellt vieles in Frage, aber alles Zweifelhafte muss angezweifelt werden, und es gab sehr viel Zweifelhaftes bis jetzt von linker Seite in dieser Pandemie. Er spricht mir an vielen Punkten aus der Seele, daher verlinke ich ihn hier. Allerdings sehe ich als Lösung keine Verengung, wie am Ende des Textes als Konsequenz gezogen wird, sondern vielmehr im Gegenteil eine radikale Verbreiterung des Kreises derjenigen, mit denen man sich organisieren und kämpfen muss.

Wenn ich mich umsehe in meinem normalen Umfeld, dann weiß ich: wir haben so viel Terrain verloren, das wird so schnell nicht wieder gewonnen werden, und viele haben das noch nicht einmal begriffen, und baden sich noch immer in linker Selbstgerechtigkeitsgewissheit. Dabei sind klare Gedanken Mangelware geworden, und es rächt sich, dass linke Bildung und Organisierung in den letzten Jahrzehnten so furchtbar vernachlässigt worden ist, zu Gunsten von Kampagnenpolitik und moralischem Geraune.

https://eutopie.blackblogs.org/2022/02/06/die-implosion-der-radikalen-linken/

»Wir haben immer gerichtet und verurteilt, seit Jesus uns gesagt hat, dieses nicht zu tun. Und ich glaube nicht, dass jemand glaubwürdig nachweisen kann, dass die Welt jetzt besser ist,  als wenn es nie einen Richter oder einen Galgen gegeben hätte.«

George Bernhard Shaw

Vortragsreise Mai 22

17.5.22 19h30 Einführung in die Restorative Justice. Friedensbildungswerk, Köln

18.5.22 18h45 Strafen ist nutzlos und gefährlich – warum? Und was dann? Evangelische Studierenden- und Hochschulgemeinde Halle

19.5.22 19h30 Restorative Justice, was ist das? Café Wagner, Jena. Teil der Reihe »Konkrete Utopien einer lebenswerten Welt« Abgesagt wegen Unstimmigkeiten in der Vorbereitung mit der zweifelhaften Nicht-Begründung «meiner Rolle bei der Aufarbeitung der Übergriffe auf Moni’s Rache» ohne genauere Nennung einer Kritik mir gegenüber oder der Bereitschaft einer Auseinandersetzung vor Ort. Schade. (Update: mir wurde ursprünglich gesagt, die Finanzgeber*innen hätten das Geld gestrichen, das ist wohl nicht genau der Grund. Bestehen bleibt meine Kritik, dass hier über mich anstatt mit mir gesprochen wird, und man sich so gewissermaßen an Strohmännern abarbeitet, anstatt mit mir in eine Diskussion darum zu gehen, was meine Rolle war und was daran sinnvoll oder weniger sinnvoll ist, vor dem Hintergrund auch, das zu vermuten steht, dass vermutlich gar keine wirklich Kenntnis über meine Arbeit besteht. Das kritisiere ich auch weiterhin, ebenso wie die kurzfristige Absage eines Termins gegenüber einer freiberuflichen Person ohne triftigen Grund, da zahlt man eigentlich Ausfallhonorar.)

Neues Buch: Restorative Justice – eine radikale Vision.

Frohe Neuigkeiten: diese Frühjahr wird mein neues Buch erscheinen! Wieder im Schmetterling Verlag, wieder in der Reihe Black Books. Ihr erfahrt darin alles, was ihr schon immer über Restorative Justice wissen wolltet.

Cover ISBN 978-3-89657-047-5

Es ist hier vorbestellbar: https://schmetterling-verlag.de/page-5_isbn-3-89657-047-1.htm

Dann sind wir wohl alle Arschlöcher

Zum Statement der Gruppe um die Ex-Freundin von Henning. (zu lesen hier https://de.indymedia.org/node/160639)

Die Auseinandersetzung um Henning’s Übergriffe auf dem Moni’s Rache Festival geht weiter, und das ist gut, denn wir sind weit vom Ende einer Aufarbeitung entfernt, wenn es so etwas denn geben kann. Umso besser, wenn immer mehr Details und Aspekte betrachtet werden, wie zum Beispiel der Umgang der «Szene» mit Hennings (ehemaliger) Liebesbeziehung. Was ihre Supportgruppe in oben verlinktem Text beschreibt, erfüllt mich mit Entsetzen und Grauen. Sie wurde also in Sippenhaftung genommen und ihrerseits mit Sanktionen belegt. What the actual fuck. Die Gruppe fordert, dass das reflektiert und überdacht wird, dem kann ich mich nur anschließen, und es wäre vielleicht auch nett, wenn man das bei ihr entstandene Leid anerkennt und bedauert, sie um Verzeihung bittet. Es ist verständlich, dass sie mit ihm assoziiert wurde, aber dass dabei vergessen wurde, dass sie ggf. selbst Betroffene ist, zeigt, wie unterkomplex der Umgang mit Gewalt, zumal sexualisierter, in dieser sogenannten Szene ist. Es wird, wie auch die Gruppe feststellt, laut gebrüllt und überstürzt gehandelt, und dann geht’s zurück zur Tagesordnung, bis zum nächsten Fall. Das beste Standing hat, würde ich hinzufügen, wer am lautesten brüllt und am härtesten sanktioniert. (Wie im echten Leben, hallo Talkshows, hallo Kriminalpolitik.)

Besonders interessant an dem Text finde ich den Bezug zu Empathie sowie der Versuch, die gesellschaftliche Bedingtheit sexualisierter Gewalt (-täter*innenschaft) mitzudenken und die Widersprüchlichkeit von menschlichen Persönlichkeiten anzuerkennen. So kommt die Gruppe zu der Erkenntnis, dass potenziell jede*r Täter*in werden kann, es mithin wenig hilfreich (aber sehr bequem) ist, die Gewalt zu externalisieren (othering), einzelne auszusperren und somit nicht an die sozialen Wurzeln der Gewalt zu kommen und auszublenden, dass sie uns alle durchzieht.

Danke, endlich, ja genau!

Und dann bezeichnen sie Henning einfach als Arschloch. Ich habe Fragen. (Natürlich kann ich verstehen, dass seine Taten Abscheu hervorrufen, und niemand muss ihn sympathisch finden, keine Frage)

  • welche Strategien der Resozialisierung kann es geben?
  • Können Menschen sich ändern, und wenn ja, woran erkennt man es und ab wann wird es akzeptiert?
  • wenn wir alle (potenzielle, aber ich würde eigentlich sagen, tatsächliche, weil ich fest davon überzeugt bin, dass jede*r schon einmal Gewalt ausgeübt hat, auf unterschiedliche Art) Täter*innen sind, und Henning ein Arschloch ist, sind wir dann alle Arschlöcher?
  • Wenn es soviele verschiedene Bedürfnisse und Strategien des Umgangs gibt wie es Betroffene gibt, wie soll sich ein*e Beschuldigte*r verhalten?
  • Wenn eine Forderung lautet, Verantwortung zu übernehmen und sich nicht wegzuducken, die Person aber überall ausgeschlossen ist, wie soll sie sich äußern? Auf welchen Wegen kommunizieren?
  • Warum ist es falsch, wenn Henning, von dessen Taten potenziell Hunderte bis Tausende betroffen sind, die zT anonym sind, sich über einen Blog äußert? Inwiefern «nimmt er sich Raum» in einem Raum, der unbegrenzt groß ist, auf eine Art, die niemanden damit konfrontiert, der*die nicht aktiv die Seite besucht und die es allen ermöglicht, ihn zu ignorieren? Wird hier nicht einfach Jargon unbedacht benutzt?
  • Wenn Ausschluss die Form des Umgangs ist und wir alle Täter*innen sind, werden dann die ausgeschlossen, die das «Pech» hatten, erwischt zu werden? Sind dann nicht die, die übrig bleiben, sogar gefährlicher, weil sie ihre Gewalt besser verstecken können?

Kurzum, ich stimme sehr weitgehend mit den Punkten der Supportgruppe überein und teile viele ihrer Bedenken und Kritik. Es wäre super, wenn sie mit ihrer Haltung noch weitergehen und die Konsequenzen des eigenen Denkens, der eigenen Erkenntnisse ziehen.

Vielleicht sind wir alle Arschlöcher. Und jetzt?

PS.: Ich finde es konstruktiver, zu denken, dass wir alle auch gute Seiten haben, und dass dies die Seiten sind, an die wir andocken können, um positive Entwicklung zu begünstigen. Eine andere Chance sehe ich nicht.

Artikel in der Zeit Online

«Aus dem Monster wurde ein Mensch.»

Nach all den Jahren hat die ZEIT meine Geschichte noch einmal gebracht.

Veranstaltungen im Herbst

Ende Oktober 2021 wird es noch einmal eine Reihe von Vorträgen und Workshops zum Thema RESTORATIVE JUSTICE und ABOLITIONISMUS geben (ob Präsenz-, Online- oder Mischformat werden wir dann sehen). Ich aktualisiere hier regelmäßig die Liste der Termine:

Donnerstag 28.10. 19-22h, Vortrag zu Abolitionismus und Restorative Justice bei About:Utopia, Tübingen. Präsenz mit 3G, Veranstaltung wird auch gestreamt.

Samstag 30.10. 2 teiliger Workshop auf dem Kritjur Kongress in Hamburg. Präsenz 2G, der Kongress ist ausgebucht!

Sonntag 31.10.: Workshop bei FemLab, Hamburg. Ausgebucht.

zu Hennings Statement II

Ich sehe, dass die Veröffentlichung von Hennings Versuch der Verantwortungsübernahme einiges an Staub aufwirbelt. Das war zu erwarten, es ist schließlich ein schmerzhafter Prozess der Auseinandersetzung für alle Beteiligten und darüber hinaus.

Ich denke, dass es eine wunderbare Gelegenheit ist, darüber nachzudenken, was wir unter Verantwortungsübernahme verstehen, und was wir als Betroffene, Alliierte oder Gemeinschaftsmitglieder von Tatverantwortlichen brauchen. Denn das Wort „Verantwortungsübernahme“ ist groß – und vor Allem leer. Was heißt das denn für Dich? Und ist es das gleiche wie für mich oder eine dritte, vierte, fünfte Person? Wie geht Verantwortung übernehmen?

Die Nachrichten, die ankommen, sind widersprüchlich – und waren es auch vorher schon, weswegen es für Beschuldigte mitunter sehr schwer ist, sich zu orientieren und zu wissen, was von ihnen erwartet wird. Das ist der Grund, warum sich immer wieder Leute an mich wenden. Sie würden gerne etwas tun, und vor Allem: das Richtige tun, aber sie wissen nicht mehr, was das ist. Sie sollen Verantwortung übernehmen – aber niemand sagt, was das eigentlich ist und was von ihnen konkret erwartet wird.
Ich halte das Argument, dass „das nicht Aufgabe der Betroffenen ist“, für etwas faul: Natürlich ist gar nichts „Aufgabe“ der Betroffenen (außer ihrer eigenen Heilung), andererseits kann niemand erahnen oder erraten, was jemand anderes braucht und ihm*ihr gut tut. Wenn ich die Chancen erhöhen möchte, dass jemand tut, was ich brauche, muss ich es sagen, und dabei gelten die üblichen Regeln aus der Kommunikationstheorie: konkret, positiv formuliert, ausführbar, an eine bestimmte Person gerichtet, zeitlich determiniert.* Das Umfeld kann es übernehmen, das zu kommunizieren (und es hat ja ggf eigene Bedürfnisse, die auch wichtig sind).

Ich orientiere mich an der Erfahrung meiner Kolleg*innen aus Theorie, Forschung und Praxis der Restorative Justice und der Viktimologie. Wir wissen, dass Betroffene sehr unterschiedlich reagieren und unterschiedliche Bedürfnisse haben. Für manche ist eine Aufarbeitung mit der tatverantwortlichen Person heilsam und wichtig, für andere ist Kontaktvermeidung besser, und vieles mehr. Es gibt aber wiederkehrende Themen, an denen ich und andere sich orientieren.

Viele Betroffene von Leidzufügungen…

  • brauchen Schutz vor weiterem Übel.
  • wünschen sich eine Anerkennung der Taten durch die ausübende Person.
  • brauchen die Anerkennung von der Gesellschaft oder Gemeinschaft, dass die Taten Unrecht waren und nicht ein Unglück, dass ihnen widerfahren ist, und dass die Gemeinschaft/Gesellschaft dies nicht akzeptiert und entsprechend sanktioniert. (Sanktion muss nicht Strafe sein!)
  • möchten weitere Opfer verhindern und sind daher daran interessiert, dass die tatverantwortliche Person entweder daran gehindert wird oder selbst zur Einsicht kommt. Sie möchten oft von tatverantwortlichen Personen wissen, was es braucht, damit sie es nicht noch einmal tun und was sie dafür zu tun gedenken.
  • wünschen sich Wiedergutmachung oder Entschädigung, symbolisch oder materiell.
  • wünschen sich eine Entschuldigung durch die tatverantwortliche Person.
  • haben von Tatverantwortlichen ein Bild einer Art Monster in ihrem Kopf und empfinden es als erleichternd, wenn durch eine (direkte oder indirekte) Auseinandersetzung dieses Monster sich in das Bild eines normalen Menschen, der (mglw unnachvollziehbare) Fehler gemacht hat, verwandelt.

In Anlehnung an diese Erkenntnisse haben Restorative Justice Praktiker*innen Verantwortungsübernahmeprozesse für Tatverantwortliche entworfen. Ich nutze in meinen Begleitungen eine Kombination aus verschiedenen Modellen des International Institute for Restorative Practices in den USA. Dabei handelt es sich um sieben Fragen, die Tatverantwortliche bei ihrer Auseinandersetzung bearbeiten:

  1. Was ich getan habe
  2. Wie es dazu kam
  3. Wie andere dabei zu Schaden kamen und darunter leiden
  4. Wie es mir heute mit meinen Handlungen geht
  5. Was ich tue, um Ähnliches künftig zu verhindern
  6. Was ich als (symbolische) Wiedergutmachung anbiete
  7. Wie gesellschaftliche Machtverhältnisse zur Entstehung meiner Taten beigetragen haben

Ich finde diese Schritte sehr sinnvoll und praktikabel. Mit der Zeit können sich die Antworten verändern, weil tiefere Erkenntnisse entstehen, und man kann in der Regel an den Antworten ganz gut ablesen, wo jemand steht. ich denke auch, dass es wichtig ist, zu verstehen, dass Menschen Zeit brauchen für die Konfrontation mit sich selbst, noch dazu, wenn es sich um Seiten handelt, die das eigene positive Selbstbild zerstören. Das ist manchmal für alle Anderen – Umfeld und Betroffene – schwer auszuhalten und sehr frustrierend und kann viel Wut entstehen lassen. Man kann die menschliche Psyche nicht zwingen. Man kann Leute unter Druck setzen, aber das wird ihren Prozess der Auseinandersetzung nicht automatisch beschleunigen. Wie schnell oder langsam jemand mit sich selbst ins Reine kommt, ist individuell sehr unterschiedlich und lässt sich nur schwer kurzfristig von außen beeinflussen. Was es bräuchte, wären kulturelle, soziale und auch institutionelle Bedingungen, die Verantwortungsübernahme ermöglichen und selbstverständlicher machen. Modelle und Vorbilder gibt es bereits, wie etwa die COSA-Kreise in USA/Kanada oder die Healing Lodges kanadischer First Nations. An uns, uns zu inspirieren und eigene Wege zu finden.

  • Man kann nicht wissen, was man tun soll, wenn man nur gesagt bekommt, was man NICHT tun soll. Allgemeinplätze oder abstrakte Begriffe wie „Unterstützung“ sind weit interpretierbar und man kann daher nicht wissen, was jemand darunter versteht: was konkret unterstützt DICH? Wenn nicht klar ist, WER etwas tun soll, wird es ebenso schwierig, wie wenn man nicht weiß, WANN oder WIE LANGE etwas passieren soll. Wenn das unklar ist, muss es zumindest Überprüfungstermine geben. Und nicht zuletzt muss die Forderung im realistischen Rahmen der Möglichkeiten der Person sein. Es nutzt gar nichts, Leute zu überfordern, das führt eher zu einer geringeren Umsetzungsquote.

Zu Hennings Statement

Diese Klarstellung bezieht sich auf die Aufarbeitung rund um Monis Rache.

Mich haben Leute kontaktiert, die sich darüber wundern, dass ich sowohl einige aus der EKG als auch Henning bei ihrer Aufarbeitung begleite/begleitet habe, und daraus ableiten, dass unehrlich kommuniziert wurde.

Das ist NICHT der Fall.

Ich habe im Winter mit der EKG gearbeitet. Diese Arbeit ist beendet.

Henning hat mich vor 4 Wochen kontaktiert.

Die EKG wusste davon nichts, es gibt nach meinem Wissen keinen Kontakt zwischen den beiden. Sie haben durch mich von seinem Statement erfahren, wie alle anderen.

Ich gebe gerne Auskunft und ich empfehle, nachzufragen, bevor Gerüchte entstehen.