Ist Widerstand möglich?

Als Nacklapp auf die Lesung in Hannover erreichte mich eine Nachricht, in der sich die Autorin fragt, warum so wenig Leute sich für die Veränderung der Gesellschaft einsetzen wollen:

» Immer wieder lag die Frage im Raum, wieso die Jungen sich nicht auch zum Aktivismus motivieren lassen, bzw. wieso eine Veränderung der Verhältnisse ausbleibt. Und immer wieder ging mir folgender Zeitungsartikel durch den Kopf, dessen Inhalt ich an dem Abend jedoch nicht so präsent hatte, dass ich mich zu Wort melden und davon hätte berichten können. Darum also als Nachreiche auf diesem weg! http://www.sueddeutsche.de/politik/neoliberales-herrschaftssystem-warum-heute-keine-revolution-moeglich-ist-1.2110256 «

Der Philosoph Byung-Chul Han vertritt in dem verlinkten Artikel die These, dass der neoliberale Kapitalismus so total ist, dass er jeglichen Widerstand verschlingt. Die Macht würde unsichtbar, so dass unklar ist, gegen wen oder was man überhaupt Widerstand leisten solle, daher richteten die Leute ihre Wut gegen sich selbst: Burnout, Depression, Suizid. Gleichzeitig würden durch Entwicklungen wie »Sharing Economy«, wie sie Thomas Piketty in der »Null Grenzkosten Gesellschaft« beschreibt, zu einem Ausverkauf des Kommunismus. Ein jegliches »Anderes« wird also unvorstellbar und unerreichbar.

Ich habe bereits an anderer Stelle beschrieben, dass dies Tendenzen sind, mit denen sich viele Denker_innen befassen: es geht um den Verlust der Zukunft. In seinem Aufsatz »Despair fatigue« entgegnet David Graeber, dass sich diese Tendenz zur Hoffnungslosigkeit und Verzweiflung bei den jungen Leuten in Großbritannien möglicherweise gerade umkehrt. Und in »Bürokratie« erinnert er daran, dass die Macht so unsichtbar nicht ist: in dem  Moment, wo man eine Regel überschreitet, kommt der Mann mit dem Knüppel – die Androhung physischer Gewalt ist also sehr präsent, man spürt sie nur solange nicht, wie man sich konform verhält. Und Leute wie Hans-Christian Dany haben sich in den letzten Jahren Gedanken darüber gemacht, wie Widerstand unter den gegenwärtigen Bedinungen aussehen kann bzw. wo überhaupt Zukunft oder Perspektive herkommen könnten.

Insofern möchte ich Byung-Chul Han entgegnen: Die These ist nicht neu, und andere haben sie schon weiter gedacht. Antonio Negir, gegen den er argumentiert, ist selbst nicht gerade der aktuellste Theoretiker. Also: bitte den eigenen Standpunkt updaten.

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