Danke an Lina Graf (Freiburg)!
und ein Interview, ebenfalls aus Freiburg, aber nicht vom gleichen Anlass, findet ihr hier: https://rdl.de/beitrag/es-ist-schon-die-idee-mit-dem-konzept-die-strafjustiz-zur-ckzudr-ngen
Danke an Lina Graf (Freiburg)!
und ein Interview, ebenfalls aus Freiburg, aber nicht vom gleichen Anlass, findet ihr hier: https://rdl.de/beitrag/es-ist-schon-die-idee-mit-dem-konzept-die-strafjustiz-zur-ckzudr-ngen
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Freiburg 05. Oktober 17h-18h30 KTS
Mehr Infos hier https://tacker.fr/index.php/node/14210
Ich freue mich auf Euch!
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Launch of the new publication
„From Survivors to Survivors: Conversations on restorative justice in cases of sexual violence“
Online, 25th of November 2024 / 4-5:30 pm CEST (english)
Register here: https://www.euforumrj.org/en/civicrm/event/register?id=95&reset=1
In the past years, some members of the European Forum for Restorative Justice Working Group on Gender-Based Violence worked on an unique project. They collected testimonies of people that experienced sexual violence and were offered, and sometimes even participated in, a restorative justice programme.
The contributions reflect a wide range of offences, such as sexual assault by a person known to the victim/survivor, sexual assault/rape by a stranger, inter-familial abuse perpetrated by male family members (i.e.brother, father, step-father and a grandfather), and stalking. Despite their complexity and serious harm, each story shares a lot of wisdom in the authors’ search for justice, support and empowerment. The editors, as well as some of the authors and other invited guests, will present the publication, its challenges and opportunities, and reflect on the next steps forward to advance the use of restorative justice in complex and serious cases such as sexual violence. more info here: https://www.euforumrj.org/en/testimonies-restorative-justice-and-sexual-violence
I have decided to put that up here and advertise for people taking part as there is still so much uninformed or badly informed doubt about whether in such cases RJ is possible, adequate or helpfull. I get a lot of animosity from people who don’t understand, saying advocating for such a thing means siding with people who have done harm. That is painfull to hear and it is not true. But some people are not bothered with truthfullness but rather boosting their own ego. So if you want to see fot yourselves, here’s a chance.
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gegen Spenden mit Soli-Handpoke, -Haircuts, und -Drinks.
Do 22.08.2024 & Do 05.09.2024
Syndikat, Emser Str. 131, 12051 Berlin
AAA organisiert ein Soli-Event für künftige Abolitionismus- und Restorative Justice-Workshops mit mir. Milles mercis <3
Hier das Programm (English Below)
17:30-18:00 Treffen mit AAA
18:00-19:00 Konfliktspielen
19.00-10:00 Soli-Handpoke, -Haircuts, und -Drinks
Die „Anarchist Awareness Alliance“ (AAA) organisiert eine Stunde Training zum Thema Konfliktsensibilisation im Sinne von restorativer Gerechtigkeit und kollektiver Verantwortung. Methode heißt „Konfliktspielen“. Spenden für das Training sind null bis 15€ oder was ihr geben könnt, entscheidet selbst. Im Anschluss gibt es alkoholfreie und alkoholische Solidrinks auch sowie Haircuts und Handpoke. Das Geld wird zunächst für Abolitionistentrainings anderer Gruppen und, wenn etwas übrig bleibt, für Repressionsgelder in Berlin gespendet.
ENGLISH:
Conflict training (in EN/ DE) for donations with Handpoke, Haircuts, and drinks for donations.
Anarchist Awareness Alliance (AAA) will organise an hour of conflict-sensitisation training for implementing resotrative justice and collective responsibility. The method is called „conflict play“. Donations for the training are zero to 15€ or what you can afford, you decide. Afterwards, we will have alcohol-free and alcoholic „Solidrinks“ alongside handpoke and haircuts. The donations will firstly be used to finance abolitionist training for other groups and if anything is left over we will use it for „Repressionsgeld“ in Berlin.
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Die meisten werden diesen Ausdruck aus der Bibel kennen: »Wer von Euch ohne Schuld ist, der werfe den ersten Stein.« Er verweist darauf, dass diejenigen, die andere richten (in alter Zeit und mancherorts auch heute noch zuweilen: steinigen), selbst keine Unschuldsengel und daher nicht in der Position sind, über andere zu urteilen. Theolog:innen können bestimmt noch viel interessantere und vielschichtigere Interpretationen dieses Satzes geben, mir soll es darum gehen, was eigentlich die Allgegenwart von sexualisierter und sexueller Gewalt für den Umgang mit ihr bedeutet.
Mein letzter Workshop in Berlin mit einem Freundeskreis um einen Menschen, dem sexuelle Gewalt vorgeworfen wird, brachte einmal mehr zu Tage, dass es eigentlich keine Menschen gibt, die nicht bereits anderer Grenzen verletzt haben, und dass es eigentlich auch kaum Menschen gibt, die nicht bereits von solcher betroffen wurden. Erinnerungen an meinen allerersten Begleitungsfall wurden wach, mit einer Gruppe, bei der tatsächlich ALLE, egal welchen Geschlechts, Opfer sexueller oder sexualisierter Gewalt geworden waren, und die meisten sich auch Tatvorwürfe machten, selbst wenn dies noch nicht von anderer Seite an sie herangetragen worden war.
Gibt es Menschen mit der moralisch weißen Weste? Gibt es Menschen, die mit Fug und Recht mit dem Finger auf andere zeigen? Vielleicht, aber ich glaube sie sind sehr selten. Jedenfalls viel seltener als all jene, die »SKANDAL!« schreien, wenn mal wieder etwas aufgedeckt wird. Denn als nichts anderes muss man es eigentlich bezeichnen: die Fälle, von denen wir hören, die öffentlichen Callouts, sind lediglich die, die aufgedeckt, die angeklagt werden. So manche werden im Privaten verhandelt, und die allermeisten vermutlich einfach nie angesprochen – abgehakt als weitere schlechte Erfahrung in der langen Reihe derer, die man bereits gemacht hat; abgetan als schlechter Sex; verdrängt und verschwiegen aus Scham, Selbstvorwürfen oder Angst vor der Reaktion der anderen Seite, aus mangelndem Mut zum Konflikt oder zur Konfrontation, oder aus Mangel an Energie für den nervenaufreibenden Prozess, der darauf folgen kann – so viele Gründe sprechen dagegen, es öffentlich zu machen. Was bedeuten muss: wir sehen nur die Spitze des Eisbergs. Ich persönlich glaube ja auch, dass die Statistiken zu Viktimisierung verfälscht sind. Jede vierte Frau heißt es da, oder jede zehnte, je nachdem, wen man fragt. Je länger ich mich damit befasse, je genauer ich hinhöre, desto klarer wird mir: ich kenne keine einzige Frau/FLINTA, die nicht bereits sexuelle oder sexualisierte Gewalt erlebt hat. Und damit meine ich nicht nur Catcalling, sondern handfeste körperliche Übergriffe. Es ist ein Grauen.
Was aber bedeutet das für den Umgang? Wie müsste man eigentlich darüber reden, um dieser Erkenntnis gerecht zu werden? Ist es dann noch sinnvoll, die jeweils einzelnen Betroffenen und Tatverantwortlichen herauszuheben? Ist es dann noch sinnvoll, davon zu sprechen, dass man »sichere Räume ohne Täter:innen« herstellen will? Wie soll das denn gehen, wenn man weiß, dass der einzige Unterschied zwischen denen draußen und denen drinnen ist, dass es bei ersteren öffentlich geworden ist und bei zweiteren nur (noch) nicht? Macht es dann Sinn, bestimmte Leute mehr zu schützen als andere, weil man weiß, dass sie betroffen sind? Müsste man nicht eigentlich alles ganz anders aufziehen? Und macht die Trennung in Betroffene und Tatverantwortliche noch Sinn, wenn man bedenkt, dass die meisten beide Positionen kennen? Dass viele ausüben, was sie am eigenen Leib erlernt haben, was ihnen anerzogen wurde, weil Gewalt eine Sprache ist, die wir alle lernen?
Es ist mir auch nicht richtig klar, was zu tun wäre.
Ich merke nur, dass sich hier Widersprüche auftun bzw. das bestimmte Vorgehensweisen, die sich etabliert haben, eigentlich überhaupt nicht richtig zielführend sind. Mir fallen zwei Richtungen ein, in die sich ein Umgang damit sinnvollerweise gleichzeitig entwickeln könnte: er müsste gleichzeitig genauer und allgemeiner werden. Das würde bedeuten, für die einzelnen, bekannt gewordenen Fälle, genauer zu fragen: was braucht es? Was bedeutet Schutz in diesem konkreten Fall – für wen, vor was? Welche Maßnahmen passen genau hierzu? Und es würde bedeuten, Räume aufzumachen, in denen offen über eigene Täter:innenschaft reflektiert werden kann, das Stigma, die Scham und die Angst zu durchbrechen und ein Sprechen darüber zu verallgemeinern und zu verselbstständlichen; genauso wie es Räumen bedarf, in denen Menschen empowert werden, über ihre Viktimisierungserfahrungen zu sprechen, die Scham, die Angst, das Stigma zu druchbrechen. (Es ist interessant, dass beide Erfahrungen, die der Opferwerdung und die der Täter:innenschaft, ähnliche Emotionen und Reaktionen hervorrufen: Scham und Stigma). Es braucht eine Verallgemeinerung im Sinne kollektiver Verantwortungsübernahme, kollektiver Aktion, kollektiver Transformation. Und es braucht Individualisierung durch Verfahren, die auf interpersoneller Ebene für die einzelnen Betroffenen und Beteiligten befriedend sind, ihnen erlauben zu heilen, wiedergutzumachen, abzuschließen.
Man könnte einwenden, dass eine solche Verallgemeinerung des Sprechens darüber Sexualität nur noch durch die Linse der Gewalt betrachtet und damit einen positiven Zugang dazu verwehrt. Ich würde erwidern, dass in dem Moment, wo etwas anerkannt wird und gesehen werden kann, im Gegenteil die Freiheit für einen anderen Zugang erst wieder entsteht, da nichts so wirksam ist wie das, was mit Macht im (kollektiven) Unbewussten gehalten wird. Je weniger etwas angesprochen und anerkannt wird, desto stärker bestimmt es uns. Was nicht betrachtet und bearbeitet wird, wird wiederholt.
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„Du hast es schwer“, sagte neulich eine Mediationskollegin zu mir, „bei den Fällen, mit denen Du zu tun hast, dürfen sich die Leute ja gar nicht vertragen.“ Sie spielte damit darauf an, dass starke ideologische Überzeugungen oft einer Verständigung im Weg stehen, selbst wenn diese möglich, sinnvoll oder sogar (heimlich) gewünscht ist. Das ist meist schade und oft tatsächlich kontraproduktiv ohne dabei emanzipatorisch zu sein. Was passiert da?
Zunächst bin ich mit den meisten Menschen einig, dass jegliche Form einer aufarbeitenden, transformativen oder wiedergutmachenden Kommunikation betroffenenorientiert sein muss. Betroffene sollen entscheiden können, ob und wann sie dazu bereit sind, sie müssen dafür so gut wie möglich informiert und vorbereitet sein. Sie müssen jederzeit abbrechen können, insgesamt muss ein Prozess so gestaltet sein, dass sie maximalen Einfluss und Entscheidungsmacht haben und ihre Entscheidungen respektiert werden. Das sind Grundsätze eines Vorgehens bei Restorative Justice.
Zu einer informierten Entscheidung gehört, so viel wie möglich über den Prozess zu wissen, um abwägen zu können, ob eine Teilnahme im eigenen Interesse ist oder nicht. Das ist ein Teil von Empowerment. Gewalterfahrungen sind Ohnmachtserfahrungen, deswegen ist es wichtig, Betroffenen so viel Verfügungsmacht über ihr Leben wie möglich zurückzugeben. So weit so gut.
Die Möglichkeit, sich umfassend zu informieren und eine abgewogene Entscheidung zu treffen, am besten mit Unterstützung des Umfelds, ist leider manchmal durch bestimmte Überzeugungen und Vorstellungen blockiert. Ich erlebe das vor Allem im Umfeld linker und feministischer Gruppen, wo eine bestimmte Ebenenvermischung stattfindet: die Ebene des politischen Kämpfens und die interpersonelle-relationelle Ebene werden in eins gesetzt. Das führt dann dazu, dass auch im interpersonellen Raum ein Kampf ausgefochten wird, in welchem nach politischen Regeln und Kategorien agiert wird anstatt auf der Basis eigener Gefühle und Bedürfnisse. Auch die Menschlichkeit des Gegenüber wird nur noch eingeschränkt gesehen. Der andere ist nun »Täter«, und dieses Label bedarf keiner weiteren Fragen oder Erklärungen mehr. Politische Analysen von Machtverhältnissen, oft auf ein paar Formeln heruntergebrochen, leiten das Handeln ohne weiteres Nachdenken, denn es scheint ja »alles klar« zu sein.
Dabei entstehen Widersprüche und double binds. Einerseits soll die tatverantwortliche Person »sich keinen Raum nehmen«, andererseits wird Schweigen und Rückzug als Gleichgültigkeit und mangelnde Verantwortungsübernahme gescholten. Es bleibt völlig unklar, was denn nun erwartet wird und in welchem Rahmen. Das gleiche gilt für die Erfüllung von Wünschen und Bedürfnissen. Es ist mir mehrfach untergekommen, dass von den Tatverantwortlichen erwartet wurde, sie sollten wissen, was »das richtige« zu tun oder anzubieten ist. Es sei nicht »Aufgabe« von Betroffenen, den Tatverantwortlichen Hinweise zu geben. Das ist aus zwei Gründen problematisch: niemand kann wissen, was jemand anderes braucht oder will, egal in welchem Kontext. Das ist eine klassische, manchmal fatale, Kommunikationsfalle. Zweitens ist es gerade in Fällen von Gewalt, die ja eine Ohnmachtserfahrung für Betroffene sein kann, wichtig, dass diese über ihre Wünsche und Bedürfnisse bestimmen und diese klar kommunizieren können. Es wäre also geradezu fatal, das genau in diesen Fällen dann wieder aus der Hand zu geben. Es geht also nicht darum, dass Betroffene irgendeine »Aufgabe« für die Tatverantwortlichen übernehmen sollen, sondern darum, dass sie Gestaltungsmacht bekommen und ihre Bedürfnisse erfüllt werden, indem sie sagen, was sie brauchen.
Nicht zuletzt leben viele Betroffene noch Jahre mit einem »Monster im Kopf« und den eigenen Vorstellungen davon, was bei der beschuldigten Person los war. Die Frage, ob es heilsam sein könnte, die beschuldigte Person dazu zu befragen, das Bild von ihr zu aktualisieren und somit ggf. das Monster im Kopf loszuwerden, sowie auch ihre Reaktion zu sehen, wenn man erzählt, was ihr Verhalten für eine:n bedeutet hat, ist verbaut. Ich will damit keineswegs sagen, dass es immer heilsam ist, in Kommunikation zu gehen, sondern dass es eine Erwägung wert ist, weil die Erfahrung zeigt, dass es für viele positiv ist. Ich finde es im Sinne der Betroffenen, die mit dem Erlebten und ihren Gespenstern im Kopf leben müssen, schade, wenn das von vornherein ausgeschlossen wird, entweder weil politische oder moralische Überzeugungen dem im Weg stehen (wie dass man »dem Täter keinen Raum geben« darf), oder weil auf Basis falscher oder mangelnder Information davon ausgegangen wird, so etwas sei zwingenderweise re-traumatisierend oder re-viktimisierend (auf Grund einer Verallgemeinerung der Verwendung des Begriffs Trauma denken viele, sie wüssten darüber Bescheid, aber nur wenige haben tatsächlich fundierte Kenntnisse zu Traumatisierung und dem Umgang damit).
Eine Beobachtung, die ich dabei gemacht habe, ist, dass Betroffene schlechte Unterstützung haben. Wenn sie überhaupt Menschen haben, die sich um sie kümmern, sind diese nicht immer in der Lage, ihre eigenen Vorstellungen hintan zu stellen und den Betroffenen zu helfen, herauszufinden, was gut für sie sein könnte, was sie brauchen und wünschen, ohne das zu verurteilen. Und sie dann dabei zu unterstützen, den gewünschten Weg zu gehen bzw. Informationen darüber zu sammeln, was wie möglich ist und was nicht. Es ist auch nicht von Vorteil, wenn die Unterstützer:innen irgendwann selbst dermaßen emotional mit einsteigen, dass auch sie nicht mehr in der Lage sind, die Kommunikations- und Vermittlungsaufgabe mit dem Gegenüber zu übernehmen oder darin mit einer eigenen Agenda handeln. Betroffenensupport ist dann nicht mehr betroffenenorientiert.
Man kann mir nun vorhalten, dass das Private aber politisch sei, und man deswegen auch auf dieser Ebene »kämpfen« muss. Das stimmt. Es ist ein schmaler Grad, auf dem die Entscheidung, ob man politisch oder persönlich-relationell antworten will, steht. Manchmal geht auch beides gleichzeitig, wenn man es geschickt zu verbinden vermag. Ich denke, es ist wichtig, sich dieser Ebenen bewusst zu sein, um sich dann bewusst für das eine, das andere oder eine Kombination zu entscheiden. Diese Bewusstheit fehlt mir manches Mal, manches Handeln erscheint mir eher reflexartig bestimmten Ideen zu folgen. Im Sinne des Wohlergehens von betroffenen Menschen ist das aber fatal. Denn ja, vielleicht ist es für jemanden genau das richtige, das persönlich Erlebte auf eine politische Ebene zu heben und dort zubehandeln. Vielleicht aber auch nicht. Vielleicht ist der Vorfall im Umfeld zu politisieren während gleichzeitig interpersonelle Aufarbeitung stattfindet. Und vielleicht ist das Eine richtig zu Beginn, und mit der Zeit der Verarbeitung wandeln sich Bedürfnisse und das andere wird interessanter. Ich bin mir nicht sicher, ob Betroffene in ihrem Umfeld einen sicheren Ort haben, wo sie eine Veränderung ihrer Wünsche und Bedürfnisse ansprechen können, wenn sie befürchten müssen, dass diese als nicht politisch korrekt oder als »Verrat« betrachtet werden. (Das gleiche gilt übrigens für den umgekehrten Fall, wenn Betroffene erst kommunizieren und dann politisch agieren wollen.) Manchmal scheint es mir, dass es sinnvoll sein könnte, Betroffenenunterstützung, also diejenigen, die Betroffene in Watte packen und ihnen helfen, zurechtzukommen, von so etwas wie »Betroffenenberatung« zu trennen. Ich kann total gut nachvollziehen, dass es irgendwann, wenn man mit jemanden schon einiges durchgemacht hat, schwierig wird, sich selbst zurückzunehmen und eine Frage wie die, ob es eine gute Idee ist, sich mit der beschuldigten Person auszusprechen, empathisch und ohne eigene Verstricktheiten zu besprechen. Betroffenenberatung wären dann Menschen, die nicht ganz so nah am täglichen Leid dran sind und die Voraussetzungen mitbringen, strategische Fragen offen zu besprechen. Strategische Fragen im Sinn von: was sind die Optionen des Umgangs, was möchtest Du, dass als nächstes passiert, wohin möchtest Du gehen? Der Antisexistische Support Leipzig scheint mir so eine Struktur zu sein.
Forschungsergebnisse der Viktimologie (Vgl. zB. Vanfraechem, Bolivar & Aertsen: Victims and Restorative Justice. Oxon 2015, 3; 60-61, 158) geben einfach her, dass restorative Prozesse für Betroffene, die dies wünschen und gut darauf vorbereitet wurden, sehr hilfreich bis heilsam sind. Posttraumatische Symptome können messbar zurückgehen (ebenda 67). Ich finde es einfach bedauerlich, wenn Menschen dazu keinen Zugang haben, weil sie ihn sozusagen aus ideologischen Gründen nicht haben dürfen.
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Die aktuelle Ausgabe der Zeitschrift »Marxistische Blätter« beschäftigt sich mit Straf-Abolitionismus. Neben Beiträgen von Vanessa Thompson, Johannes Feest, Klaus Jühnschke u.a. durfte auch ich einen Text beisteuern, und zwar zu, erwartbarerweise, Restorative Justice.
Schaut rein, es lohnt sich wirklich! (Heft wird dieser Tage veröffentlicht).
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Buchpräsentation unseres Sammelbandes auf der Konferenz des «European Forum for Restorative Justice» in Tallinn letzte Woche, mit den wunderbaren Giuseppe Maglione, Ian Marder, Brunilda Pali, Katerina Soulou und mir.
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Ich freue mich, Euch mitteilen zu können, dass Heft 1/2024 der KJ Kritische Justiz, Vierteljahresschrift für Recht und Politik, mit dem Themeschwerpunkt:
FEMINISTISCHE KRITIK DES STRAFRECHTS: UNRECHTSANERKENNUNG OHNE STRAFE?
endlich erschienen ist. Der Schwerpunkt ist Ergebnis eines Workshops zu feministischer Strafrechtskritik, der vor 2 Jahren an der Uni Lüneburg stattgefunden hat. Mein Beitrag lautet »Jenseits des Rechts: Gerechtigkeit für Opfer?« (Seite 58 – 70).
Darin beleuchte ich die Vernachlässigung der Opfer in der Strafjustiz und stütze mich dafür auf ausgewählte Literatur aus der Viktimologie, politischen Theorie und Soziologie. Ich argumentiere, dass aus feministischer Sicht die Vernachlässigung der Opfer nicht nur in Hinsicht auf geschlechtsspezifische Taten problematisch ist. Wenn Feminismus bedeutet, die Sorge umeinander und die konkreten gelebten Erfahrungen von Menschen ernst zu nehmen und ins Zentrum zu stellen, muss feministische Kritik das Übergehen der Opfer und ihrer Bedürfnisse grundsätzlich denunzieren. Restorative Justice-Verfahren mit ihrer Orientierung an der Lebenswelt der Konfliktbeteiligten und ihren Bedürfnissen sind eine Alternative, mit oder ohne Schuldspruchverfahren für Beschuldigte, Geschädigte und Gesellschaft faire Verfahren und befriedigende Ergebnisse zu erzielen.
Die anderen, ebenfalls sehr empfehlenswerten Beiträge, befassen sich mit dem Konsent-Konzept und seine problematischen Seiten und feministischen Begriffen von Gerechtigkeit. Leider hat es ein Text, der die Idee einer Schuldsprechung ohne Verurteilung untersuchte, nicht ins Heft geschafft. Das ist umsso bedauerlicher als mi die Idee im Sinne eines Schrittes zur Abwicklung und Zurückdrängung der Justiz bedenkenswert erscheint.
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Bis jetzt hatte ich das Glück, vielleicht sogar das Privileg, Gefängnisse nur von außen, ihre Funktion nur aus der Theorie und ihr Innenleben nur aus Erzählungen zu kennen. Letzte Woche konnte ich anlässlich der Konferenz des »European Forum for Restorative Justice« in Tallinn (Estland) mit einer Gruppe Konferenzteilnehmer:innen das neugebaute Tallinner Gefängnis besichtigen.
Zunächst war ich mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist: die Einladung kam vom Justizministerium bzw der Direktion des Gefängnisses, die Gefangenen waren nicht gefragt, und ich wollte nicht in einer Art Zoo herumlaufen, wo die Bewohner:innen nur Statist:innen sind, während ich ihrem Lebensraum unterwegs bin. Mit gemischten Gefühlen betrat ich also gemeinsam mit den anderen durch die üblichen Sicherheitsschleusen (ein bisschen wie am Flughafen, aber es gibt mehr Türen) das Gefängnis, das von außen bereits den Eindruck eines Bunkers bietet. Graue Gebäudewürfel aus Beton auf einer platten Wiese, runderhum kurzgehaltener Rasen und Stacheldraht. Kein Baum, keine Blumen.
Das gleiche drinnen: Beton, Edelstahl, Plastik sind die einzigen drei Materialien, die uns in den langen grauen, niedrigen Gängen, Treppenhäusern und Zwischenräumen begegnen. Alles ist rechtwinklig, glatt und künstlich, das Licht kommt aus weißen Neonröhren, die Rohre und Leitungen unter der Decke sind nicht einmal verkleidet. Bereits nach 5 Minuten fühle ich mich bedrückt, ja unterdrückt, habe Schwierigkeiten zu atmen. Dazu kommt der hallende Lärm von 20 sich unterhaltenden Menschen in diesen nackten Resonanzräumen. Man sagt mir, das sei in Gefängnissen fast immer so.
Je nach dem, wo wir gerade sind, kommen mir Assoziationen von Schlachthof, Bürogebäude, Krankenhaus, Uni, Schule, Lagerhalle, Baumarkt, Fabrik, Flughafen. Zufall? Sicherlich nicht. Alles künstliche Zweckumgebungen, gebaut nicht um Menschen zu dienen, sondern um Menschen (oder Tiere oder Dinge) zu verwahren, disziplinieren, transportieren, zu behandeln, einem Zweck zuzuführen. Michel Foucault hat diese Ähnlichkeit der totalen Instituionen gut beschrieben, Ivan Illich hat 12 „Behandlungsformen“ identifiziert, in denen die moderne Welt Menschen quasi gefangen hält. Kein Wunder, dass sich ihre Architektur ähnelt.
Hier im Gefängnis ist das alles überdeutlich. Niemand kann hier heilen, sich auseinandersetzen oder gar nur einen klaren Gedanken fassen. Nirgendwo ist Leben oder wenigstens lebendiges Material, nicht einmal Holz ist verbaut. Nichts ist weich, alles ist hart, glatt, steril. Vermutlich hielt es der oder die Architekt:in für einen humanen Akt, die Metalltüren farbig zu gestalten, aber tatsächlich verstärken die künstlichen Farben nur den Eindruck des abweisenden Artifiziellen. Man nennt das sensorische Deprivation (Entzug von Sinneseindrücken) und das ist eigentlich Folter.
Im Trakt der Untersuchungsgefangenen kommen mir fast die Tränen, eine englische Kollegin sagt später, sie musste beinahe kotzen. Die (noch nicht einmal für schuldig befundenen bzw verurteilten!) Menschen sind hier 23h am Tag in ihrer 9qm Zelle eingesperrt, während einer Stunde dürfen sie alleine, in Begleitung eines Wärters (wir waren im Männergefängnis und die Wärter waren männlich) aufs Dach und dort in einer 4x2m großen Box hin- und hergehen.
Sie befinden sich in ihren Zellen, während wir durch ihren Trakt gehen und wir hören eine Person schreien. Es ist einfach nur verstörend. Wir wollen so schnell wie möglich hier weg.
Nach einem Gespräch mit der Direktorin im Bürotrakt (hier gibt es auch ein Sofa und Bean Bags – sie seien sehr beliebt bei den Gefangen, sagt sie. Ach, sowas aber auch!), geht es zurück. Die Stimmung in der Gruppe ist bedrückt. Viele hier arbeiten häufig in Gefängnissen, als Mediator:innen oder Wissenschaftler:innen. Doch auch sie sind entsetzt davon, dass ein Gefängnisneubau so furchtbar sein kann. Letztlich lässt einen sensiblen Menschen eine solche Umgebung nicht unberührt, egal wie oft man bereits Vergleichbares gesehen hat. Ein amerikanischer Kollege und ich steuern hinter der Eingangstür direkt die erste Rasenfläche an, bevor wir zurück zu unserem Bus gehen. Mit den Füßen im weichen Gras schauen wir zurück auf die Bunker und versuchen, wieder normal zu atmen. Eine Frau wickelt auf der Wiese hinter einem Zaun ihr Kind. Das muss wohl das Frauengefängnis sein. Es ist alles einfach nur deprimierend.
Und das obwohl sich durchaus Mühe gegeben wurde. Das Gefängnis ist unterbelegt, die letzte Justizreform, die ab Juli in Kraft tritt, zielt auf eine weitere Verringerung der Gefängnispopulation ab und die Haftbedingungen in Untersuchungshaft sollen sich verbessern. Lebenslang wird so gut wie gar nicht mehr gegeben, die Gefangenen können aus 80 verschiedenen Menüs wählen, was es erlaubt, gemäß den eigenen Essgewohnheiten und ethischen oder religiösen Ideen zu essen (unter anderem koscher, vegan, hallal, lactosefrei, glutenfrei und – kannte ich nicht – gurkenfrei), die Zellen sind alle mit einem eigenen Badezimmer ausgestattet, wo es ein Klo und eine Dusche gibt – das ist ein wichtiger Unterschied zu den Klos mitten im Raum und den kollektiven Duschen, wo man nur zu vorgegebenen Zeiten duschen kann. In den Werkstätten wird beinahe ein normaler Mindestlohn gezahlt und die (nicht-estnisch sprechenden) Gefangenen werden sogar dafür bezahlt, wenn sie Estnisch-Kurse besuchen. Trotzdem ist das Ding hier eine Katastrophe. Ich frage mich, wie man es aushält, hier zu arbeiten.
Es ist nicht so, dass ich noch einer solchen Erfahrung bedurft hätte, um Gefängnisse für ein absolutes Übel zu halten, das nichts löst und nur neue Probleme schafft. Es ist ein brutaler Ort, angefangen bei der Architektur. Das kann nichts Anderes als Absicht sein, da dies bereits seit 150 Jahren kritisiert wird. Brutale Orte produzieren brutalisierte, zerstörte Menschen. Über Rückfallquoten muss sich niemand wundern. Wie James Bell, der Gründer des W. Haywood Burns Institute in den USA, auf dem Abschlussplenum der Konferenz so überzeugend darstellte: diese Strukturen tun, wofür sie entworfen und eingerichtet wurden. Es sind keine Fehler oder Zufälle. Ihre „relle“ Funktion (im Gegensatz zu ihrer vermeintlichen, vorgegebenen) ist, die Machtverhältnisse zu stabilisieren und zu schützen. Die Besitzlosen von den Besitzenden zu trennen und jede:n an seinem Platz zu halten. Das Gefängnis tut genau das, deswegen finden sich hier immer hauptsächlich arme und prekarisierte Menschen und zwar vor Allem aus den Minderheiten des entsprechenden Landes – in Estland sind es Russ:innen.
Ich hatte befürchtet, in eine Art Zoo-Situation zu geraten. Das ist nicht wirklich passiert. Da das Gefängnis unterbelegt ist, gibt es viele Orte, wo niemand ist, die man besuchen kann. Trotz aller Literatur, die ich bereits zum Thema gelesen hatte, war ich dennoch überwältigt vom Gefühl der Bedrückung, das einen dort heimsucht. Ich weiß nicht, ob ich es überleben würde, dort eingesperrt zu sein.
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