Über Elternschaft und Freundschaft

Nächstes Jahr werde ich 40. Während damit einerseits quasi numerisch bestätigt wird, dass es jetzt endgültig vorbei ist mit dem Schein der Jugendlichkeit und man auf dem Weg zur „5“ ist, verbindet sich bei mir damit eine Hoffnung: dass es endlich auch bald vorbei sein möge mit der Kinderkriegerei um mich herum.

Ich habe keine Kinder, nie welche gewollt und alles notwendige dafür getan, dass es nicht dazu kommt. Das hat eine ganze Reihe von Gründen, ich fand die Vorstellung, schwanger sein, immer schon abstoßend und unheimlich, und ich hatte einfach noch nie Lust, mein Leben an die Bedürfnisse eines abhängigen Wesens zu ketten. Aber, ich fand auch schon seit ich selber Kind war, dass es wirklich genug Menschen auf der Welt gibt und die Reproduktion der Menschheit keine vordringliche Aufgabe ist.

Und irgendwann fing es an, so mit Mitte dreißig, dass überall um mich herum Kinder geboren wurden.

Nach ihren Motiven gefragt, können sämtliche Eltern nur egoistische Gründe liefern. „Mal die Erfahrung machen, schwanger zu sein“. „Weil es interessant ist, einen Menschen aufwachsen zu sehen.“ „Weil Kinder lustig sind.“ Etc pp. Es geht immer um die Eltern, nie um das Wesen, das sie ins Leben rufen. Ich habe noch keine Eltern sagen hören: „Weil wir gerne einem Menschen das Leben schenken möchten, damit er an dieser schönen Welt teilhaben kann.“

Wie auch. Wir wissen alle, dass wir dabei sind, den Planeten zu ruinieren und die kommenden Generationen damit werden umgehen müssen. Dass die Zukunft derzeit eher nach Krieg, Umweltkatastrophe und Zusammenbruch aussieht als nach irgendwas anderem.  Kinder zu machen um eigene Bedürfnisse zu erfüllen: ich kann derzeit einfach kein „Like“ drunter setzen.

Wenn man so etwas sagt, macht man sich tendenziell unbeliebt. Kinderkriegen ist irgendwie heilig, sobald eine Schwangerschaft verkündet wird, wird erwartet, dass man freudestrahlend gratuliert. Das fällt mir schwer. Ich frage meist erstmal: warum willst Du das?

Aber es gibt noch etwas, das mich stört: Die Verkündung der Schwangerschaft ist gleichermaßen eine Aufkündigung der Freundschaft. Das meinen die Eltern nicht so, und es ist ihnen auch nicht bewusst. Aber wenn dir eine*r sagt, dass er Vater bzw. sie Mutter wird, weißt du, dass die nächsten 12 Jahre nichts mehr mit ihnen anzufangen ist.
Ihr BEKOMMT ein Kind, ich VERLIERE eine*n Freund*in.

Das heißt nicht, dass man sich weniger gern hat, aber ab jetzt ist es vorbei mit gemeinsamen Urlauben oder Kinobesuchen, wilden Partynächten, spontanen Unternehmungen oder auch nur einer störungsfreien Unterhaltung. Im Prinzip sieht man sich irgendwann einfach kaum mehr, weil die letzten drei Verabredungen wegen irgendwelcher Kinderprobleme in letzter Sekunde geplatzt sind, weil man als Kinderlose die Begleitung durch Kleinkinder nicht unbedingt als Bereicherung empfindet und weil man Gespräche, bei denen man keinen Satz zu Ende bringen kann, weil das Kleine immer dazwischenfunkt, einfach nicht sonderlich anregend findet. Wenn man sich überhaupt noch etwas zu sagen hat, schließlich drehen sich neuerdings auch die Unterhaltungen nur noch um die neusten Entwicklungsschritte des Kindes.

Ich glaube ehrlich gesagt noch nicht einmal, dass das so sein muss. Es ist vielmehr die derzeit gängige bürgerliche Art, Kinder zu erziehen. Ich bin überzeugt, dass ein Dreijähriger keinen lebenslangen Schaden davon trägt, wenn man ihm das Trompetespielen untersagt, solange man sich mit dem Gast unterhält (nur so als lebensnahes Beispiel). Oder dass man sich nicht vom Heul-anfall einer Sechsjährigen am Ausgehen hindern lassen muss (Kindersitter provided).

Das hört sich vielleicht alles hart an. Vielleicht vermittelt es aber einen kleinen Eindruck davon, wie frustrierend es ist, wenn man innerhalb weniger Jahre einen ganzen Haufen seiner Freund*innen ans Kinderkriegen verliert, und das noch nicht einmal laut sagen kann, weil einem sonst das Image einer antisozialen Kinderfeindin anhaftet.

2 Antworten zu “Über Elternschaft und Freundschaft

  1. Christoph sagt:

    Liebe Rehzi, ich lese Deinen Blog sehr gern (und etwas unregelmäßig, wie Du an meiner späten Reaktion merkst).
    Über diesen Text hier bin ich erschrocken. Da alle Nachfragen dazu einen extrem persönlichen Charakter bekommen würden, der mir nicht zusteht, stelle ich besser keine.

    Ich bin auch über die Gründe der Schwangerschaften erschrocken, die Deine Freund*innen angeben – ich denke aber, es gäbe noch weit mehr, als die, die Du dann schreibst.

    Sich bewußt gegen Kinder zu entscheiden, finde ich als dreifacher Vater eine absolut ehrenwerte und mich über mein Selbstverständnis nachdenklich machende Entscheidung. Schade, wenn es dazu führt, Kinder ausschließlich als störend zu erleben. Auch das läßt sich 9 Monate lang besprechen und transformieren… oder?

    Aber das wirst Du alles selbst wissen. Das hier soll kein erhobener Zeigefinger sein. Du machstit schon! Vielleicht alles nur ungewöhnlich subjektiv und mich zu vielen Fragen verleitend…

    all best: C

    • Rehzi Malzahn sagt:

      Lieber C., danke für Deine Antwort. Der Text soll aufrütteln, denn die Dynamiken, die beim Kinderkriegen abgehen, werden als allzu selbstverständlich hingenommen. Es ist schon intendiert zu sagen: hallo?! Merkt ihr was?!
      Meine Erfahrung ist, dass sich da leider nicht viel besprechen lässt. Weder vor noch während noch nach der Schwangerschaft. Es wird wohl manches Mal bedauert, „dass es jetzt so ist“ (also, dass man sich kaum mehr sieht oder die Treffen anstrengend sind), aber das Kind ist heutzutage König, da kommste nicht zwischen. Zumindest nicht in meinem Umfeld. Ich bin’s müde. Wie machst Du das denn? Wie ist das mit Deinen Freund*innen, habt ihr darüber geredet oder weißt Du, wie sie Deine dreimalige Entscheidung finden? Ich fände es ja schön, mal was Anderes mitzukriegen. Du musst mir natürlich gar nicht antworten, würde mich aber freuen, wenn Du es tust. Liebe Grüße!

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